Die Glocken unserer Stadtkirche

Es folgen hier noch einige interessante und unterhaltsame Texte zu unseren Kirchenglocken:

 

Die ursprünglichen Bronzeglocken wurden im Frühjahr 1917 ein Opfer des 1. Weltkrieges. Die neuen Gußstahlglocken lieferte der Bochumer Verein. Das Geläute ist eingestimmt auf dem verminderten Dreiklang B-Des-Fes. Die Glocken wiegen 2554 kg, 1650,5 kg und 1086,5 kg, ihre Klöppel 174 kg, 108 kg und82 kg. Ihre Inschriften wurden aus vielen Einsendungen von der Gemeinde gewählt. Die neuen Glocken wurden am 21.1.1923 in feierlichem Zuge durch die Straßen eingeholt. Am folgenden Sonntag riefen sie alle drei schon zum Gottesdienst.

 

Lenneper Kreisblatt vom 22. Mai 1922:

 

„In seiner gestrigen Sitzung hat das Presbyterium der hiesigen evangelischen Gemeinde die Inschriften festgestellt, welche die neuen Glocken zieren sollen. Bei der Anzahl der Einsendungen war die Sichtung und endgültige Feststellung nicht einfach. Sie erfolgte nach gewissenhaftester Prüfung, sodaß gehofft werden darf, daß die gewählten Inschriften die Zustimmung der Gemeindeglieder finden werden. Weil es nicht möglich ist, allen Einsendern einzeln zu danken, da die meisten Einsendungen ohne die Nennung des Namens der Einsender eingegangen sind, wird den Beteiligten auf diesem Wege herzlicher Dank ausgesprochen. Die Lieferung der Glocken wird laut Mitteilung der liefernden Firma (Bochumer Verein) leider erst nach etwa neun Monaten erfolgen können. Es heißt also, noch Geduld haben. Die Inschriften sollen lauten:

 

1.      (größte) Glocke:

1922

Der ernsten Stunde ernst Gebot

Empor das Haupt aus tiefer Not!

(andere Seite):

Wie sind die Helden gefallen!

                               2. Sam. 1,19

 

2.   Glocke

1922

Ich mahne zum Frieden nach hartem Streit,

Zu fröhlichem Schaffen für kommende Zeit!

(andere Seite):

O Land, Land, Land, höre des Herrn Wort!

                               Jer. 22,29

 

3.      Glocke

1922

Ruf ich zur Arbeit, blicke nach oben,

Ruf ich zum Mahle, wolle Gott loben,

Ruf ich zur Ruhe, preise den Herrn,

Ruf ich zum Tempel, komme doch gern,

Ruf ich zum Grabe, trauere nicht,

Hier ist es dunkel, dort ist es Licht.

(andere Seite):

Meine Zeit steht in deinen Händen.

                               Ps. 31,16

 

Der letzte Glockenvers ist einer der bisherigen Glocken entnommen, was vielen, die das Alte ehren, besonders lieb sein wird.“

 

Lenneper Kreisblatt vom 19. Januar 1923:

 

„Am Samstag, 20. Januar, sollen die neuen Glocken für die evangelische Kirche eingeholt werden. Jung und alt freut sich schon auf diesen Tag, der die langersehnten Glocken der Kirche zuführt. Eingehende Beratungen, an der Vertreter der Gemeinde, der Schulen und der evangelischen Vereine teilnahmen, haben für den Festzug alles wohlgeordnet. Am Hauptbahnhofsgebäude werden punkt 3 Uhr die Glocken in Empfang genommen und dann durch die Mittelstr., Kölnerstraße, Schwelmerstraße, Berlinerstraße zur Kirche geleitet. Die Gemeindeglieder, welche sich beteiligen wollen, werden freundlichst gebeten, sich dem Zuge anzuschließen, damit auch die kurze Schlußfeier ordnungsmäßig verlaufen kann.“

 

Lenneper Kreisblatt vom 22. Januar 1923:

 

„Es war ein sinniger Gedanke, die neuen Kirchenglocken für unsere evangl. Gemeinde feierlich einzuholen, und die lebhafte Teilnahme der Gemeinde an diesem Festakte bewies, welch freundliche Aufnahme der Gedanke gefunden hatte. Am Samstag nachmittag bewegte sich ein großer Festzug, geführt von der freiw. Feuerwehrkapelle der Kammgarnspinnerei, die sich wieder in den Dienst der guten Sache gestellt hatte, vom Bahnhofsempfangsgebäude durch die Mittel-, Kölner-, Schwelmer- und Berlinerstraße zum Marktplatze. Inmitten des Zuges wurden die neuen Glocken, schön mit Kränzen geschmückt, auf den gleichfalls mit Grün gezierten und von sachkundiger Hand sorgsam gelenkten städtischen Lastkraftwagen mitgeführt. Am Zuge beteiligten sich außer den evgl. Schulkindern aller Schulsysteme die evgl. Vereine, der Männer-, der Frauen-, der Jünglings- und der Jungfrauenverein. Unter Führung des Vorsitzenden des Presbyteriums, Herrn Pf. Heim, nahmen am Zuge weiter das Presbyterium, die Gemeindevertretung und endlich die Mitglieder der Kirchengemeinde selbst teil. Die Straßen, die der Zug berührte, waren von Zuschauern dicht gesäumt. Auf dem Markte ergab sich eine solche Fülle, daß die Schupo verschiedentlich ordnend eingreifen mußte. Zum Beginn des Festaktes auf dem Markte spielte die Kapelle Beethovens „Die Himmel rühmen…“. Es folgte ein mehrstimmiger Kinderchor unter Herrn Florenzens Leitung. Sodann nahm das Wort Herr Pfarrer Heim zu folgender Ansprache: „Teure Festgemeinde! Unsere neuen Glocken! Ein heller Freudenstrahl in die Not der trübsten Zeit! Sie kommen aus Bochum, aus dem Herzen Westfalens und aus dem Herzen deutschen werktätigen Lebens und Wirkens, und bringen uns Kunde von dem Frevel, den die Feinde gegen unser wehrloses Volk begehen, um das wehrlose Volk nun auch rechtslos zu machen. Aber sie bringen uns auch Grüße von den deutschen Männern dort, die, eisen- und stahlhart, sich nicht beugen lassen durch das Unrecht. Den gefallenen Helden des Kampfes sollen diese Glocken zu allererst geweiht sein. Helden der Arbeit, der Arbeit des Geistes und der Hände, schufen sie. Wie viele Hände und Köpfe sind doch tätig gewesen, ehe ein solches Werk vollendet wurde! Und jetzt sollen die Glocken hinauf auf den Turm des Gotteshauses, an ihre Stätte, von der aus sie mit ihrem ehernen Munde in unsere Gemeinde und in unsere bergische Heimat hinausrufen. Viele haben bisher freudig mitgearbeitet, aber Ungezählten soll nun die Freude an diesen Glocken zuteil werden. Von Geschlecht zu Geschlecht, jahraus und jahrein und Sonntag auf Sonntag sollen sie hinausrufen in die Gemeinde, was ihres Amtes ist. Viele sollen es vernehmen; ja, nicht nur viele, alle alle, die den Klang dieser Glocken hören, sollen daran teilhaben und ich meine, gerade darum ist die Freude eine so allgemeine. Hoch und niedrig, alt und jung, Greise und Greisinnen auf dem Krankenbett; sie alle freuen sich auf die neuen Glocken. Denn diese Glocken gehören nicht dem oder dem, sondern uns allen. Und deshalb begrüßen wir sie als unsere Glocken. Womit sie uns grüßen, steht auf den einzelnen Glocken geschrieben. Sie wollen uns Kunde geben von dem ewigen Gotte und wollen uns zurufen in dieser Not der Zeit: „Der alte Gott lebt noch! Höre des Herrn Wort!“ Sie wollen uns sagen ein Jahrtausende altes Wort zuversichtlicher Frömmigkeit: „Ich lasse den Gottlosen nicht recht haben.“ Das solls sein! Mit diesem Glauben und dieser Zuversicht geleiten wir sie auf ihrer Höhe. Recht und Gerechtigkeit werden siegen. Recht wird sein wie klares Wasser und Gerechtigkeit wie ein starker Strom! Das walte Gott!“ Mit dem Gesang „Lobe den Herren…“ , in den die Anwesenden mit einstimmten, schloß die schlichte, aber eindrucksvolle Feier. Mit dem Hinaufschaffen der Glocken auf den Turm sollte unverzüglich begonnen werden. Leider konnte der Monteur des Bochumer Vereins infolge des Eisenbahnerausstandes heute früh nicht von Bochum abreisen. Das Aufhängen der Glocken erleidet dadurch eine Verzögerung. Sie mußten deshalb auf den Lagerplatz von C. Kluthes Söhne gebracht werden bis die technischen Hilfskräfte zur Stelle sein werden.“

 

 

Lenneper Kreisblatt vom 5. Februar 1923

 

„Unter starker Anteilnahme beging unsere evangelische Kirchengemeinde gestern einen Festtag, wie er seiner Art und Bedeutung nach wohl einzig im Gemeindeleben ist. Galt es doch, die Kriegerehrentafeln in der Kirche feierlich zu enthüllen und den neuen Glocken die Weihe zu geben. Hunderte über Hunderte waren herbeigeströmt, das Gotteshaus vermochte sie kaum alle zu fassen. Sehr hübsch wirkte es, daß die militärischen Vereine mit Abordnungen erschienen, die Fahnen mitführten, welche dann um den Altar gruppiert wurden. Orgelklänge leiteten die Feier ein; Eugen Diebschlags meisterhaftes Spiel schuf sogleich die rechte Grundstimmung. Der Evangelische Chor, unter Herrn Florenzens Leitung, sang darauf das schöne „Wie sind die Helden gefallen“ mit seinem wirkungsvollen, zuversichtlichen und verheißungsvollen Ausklang. Eine besondere künstlerische Gabe bot sodann die von früher her vorteilhaft bekannte Sopranistin, Frau Martha Boose-Hardt. Mit ihrer schönen und vortrefflich geschulten Stimme trug sie das „Requiem für die deutschen Gefallenen“ von Rich. Fricke empfindungsstark vor. Die Ansprache zur Übergabe der Ehrentafeln mit den Namen der Krieger aus unserer Gemeinde, die ihr Leben im Völkerringen haben dahingeben müssen, hatte Herr Pfr. Kattenbusch übernommen. In Worten, die vielen ans Herz griffen, gab er den Empfindungen der Trauer und Wehmut Ausdruck, die immer wieder lebendig werden, wenn die Erinnerung wach wird an die gewaltigen Opfer des Weltkrieges. Erschütternd ist im Vergleich zu den wenigen Namen der Gefallenen von 1870/71 die Reihe der Namen derer, die 1914-18 aus unserer Gemeinde hinausgezogen und nicht wiedergekehrt sind. 283 Heldennamen verzeichnen die vier Tafeln, die jetzt das Hauptportal der Kirche umrahmen! An Heldengräbern aber leuchtet die Hoffnung doppelt hell. Denen, die da sterbend hinsanken fürs Vaterland, öffnet sich droben ein neues Vaterland, ein ewiges Leben. Nach innigen Worten des Trostes für die Angehörigen der Gefallenen wandte sich der Geistliche von der Totenklage der Heldenehrung zu. Jene Treue, die die Helden ihrem Vaterlande bis in den Tod bewahrten, verdient, daß wir auch ihnen die Treue halten. Das Lied vom Tod für uns sollte auf allen Wegen uns umklingen, sollte uns eine Mahnung sein in dem Kampfe, den wir jetzt zu bestehen haben! Stimmungsvoll klang dann der erste Teil der Feier mit dem Vortrage des „Sei stimme dem Herrn“ durch den Evangelischen Chor aus. Es folgte die Glockenweihe: Nach dem heiligen Ernst Stimmungen heiliger Freude. Herr Pfr. Heim sprach von dieser Freude, die eine allgemeine, reine und tiefe ist. Nie war wohl die Gemeinde so einig als in der Liebe zu ihren Glocken, und was die Freude so wertvoll macht, ist ihre Reinheit. Selbst bei edlem Tun schleicht sich nicht selten etwas Selbstsucht mit ein, nicht aber in diesem Falle. Und die Tiefe der Freude endlich findet ihre Ursache darin, daß die Glockentöne so nahe Beziehungen zur menschlichen Seele finden. Sie erinnern in der Fremde an die Heimat, begleiten uns durchs Leben, reden zu unserer Seele, rufen herbei zum Worte Gottes. Mögen sie für alle Zukunft diesen heiligen Beruf erfüllen, möge das Gotteshaus stärker als je Mittelpunkt des Gemeindelebens sein! Die Glocken, so schloß der Geistliche, reden von Helden, die im Streite gefallen sind, sie reden von Not und Tod und von der Qual der Zeit; sie weisen aber auch hinauf in die Höhen, von denen wir Kraft bekommen. Und wie auf jeden Tod eine Auferstehung folgt, so wollen und sollen die Glocken einläuten die Auferstehung unseres Vaterlandes! Das Niederländische Dankgebet „Wir bitten inmitten der Schäden und Schulden“ erklang, vom Evangelischen Chor begonnen und zuletzt von der ganzen Gemeinde aufgenommen. Dann sprach Herr Pfr. Heim den Weihespruch für die Glocken, und feierlich ertönte bei seinen letzten Sätzen das wundervolle Geläute sämtlicher Glocken, immer stärker anschwellend und tief die Gemüter bewegend. Mit Choralgesang, Segen und einem prachtvollen Schlußstück der Orgel fand die erhebende Feier ihr Ende. – Am Nachmittage fand eine Feier für die Schüler und Schülerinnen der Gemeinde statt. Die Feier verlief ähnlich wie die Morgenfeier, nur wirkten am Nachmittage einige Schüler durch Gedichtvorträge mit. „

 

Die Vorgeschichte der Beschaffung neuer Kirchenglocken der Evangelischen Gemeinde

 

   Als im 3. Jahre des Weltkrieges 1917 sämtliche Gemeinden aufgefordert, ja gezwungen wurden, die vorhandenen Kirchenglocken, soweit sie aus Bronze bestanden, dem Vaterlande zu opfern, waren auch unsere Gemeinden, die evangelische wie auch die katholische, sofort bereit, diesem Verlangen nachzukommen. Somit fielen unsere beiden größten Glocken dem traurigen Schicksal anheim, wurden entzwei geschlagen und wanderten so in die Schmelzereien der staatlichen Werkstätten, um als Kanonen oder als Geschossmaterial in dem entsetzlichen Kriege Verwendung zu finden. Beide Kirchen, der evangelischen wie der katholischen, verblieben die kleinsten Glocken zur Aufrechterhaltung der kirchlichen Gebräuche, soweit sie darin mitzuwirken hatten. Welch ein jämmerlicher Zustand dadurch hervorgerufen wurde, daran werden sich die Zurückgebliebenen und die nach Beendigung des Krieges zurückgekehrten Gemeindemitglieder noch mit Schrecken erinnern, besonders im Vergleich mit dem früheren, in aller Gedächtnis haftenden prächtigen Geläute.

   Wenn auch bald nach Friedensschluss die Sehnsucht in den Gemeinden nach einem neuen, dem alten würdigen Geläute erwachte, so dauerte es doch volle 4 Jahre bis zum Jahre 1921, bevor diese Sehnsucht einen festeren Untergrund erhielt, als die Frage nach den nötig aufzubringenden Geldern in den Köpfen einiger unserer Mitglieder festen Fuß fasste.

   Der damalige evangelische Kirchenchor veranlasste eine Sammlung innerhalb der Gemeinde, die zwar ohne ein erhebliches Resultat verlief, aber doch zu weiteren Bemühungen in dieser Angelegenheit die Veranlassung bildete. Schon im November 1920 hatte der damalige Kirchmeister Emil Halbach eine Anfrage an den Lieferanten unserer alten Glocken in Kaiserslautern gerichtet, nach dem Preise neuer Glocken für die Zerstörten gefragt. Die darauf genannte Summe von 145 000 Mark erschien in ihrer Unerschwinglichkeit so hoch, dass von einem weiteren Eingehen Abstand genommen wurde.

   Im Oktober 1921 erbat sich der Verfasser dieser Zeilen vom Presbyterium die Erlaubnis, eine Sammlung für die Neubeschaffung der Glocken bei den auswärts wohnenden, gut situierten ehemaligen Mitgliedern der evangelischen Gemeinde veranstalten zu dürfen. Diese erbrachte gleich bei der ersten schriftlichen Überreichung unserer Bitte ein so günstiges Resultat, dass wir keinen Augenblick glaubten zögern zu dürfen, um uns mit Glockengießereien in Verbindung zu setzen. Nun trat eine Frage in die Erscheinung, besonders durch die Geldfrage hervorgerufen, ob man nicht zu Stahlglocken als den wesentlich billigeren übergehen sollte. Es erhoben sich viele Bedenken und Widersprüche. Die Entscheidung wurde dem Presbyterium überlassen, welches mich veranlasste, eine Anfrage bei der maßgebenden Fabrik für Stahlgeläute, dem Bochumer Verein für Bergbau und Gussstahlfabrikation, zu stellen. Das Presbyterium wählte eine Glockenkommission, welche die Frage, ob Stahl oder Bronze, eingehend prüfen und das Ergebnis vortragen sollte. Diese Kommission bestand aus dem Präs. Presbyt. dem Pfarrer Heim, den Mitgliedern des Presbyteriums Frl. Marie Hentzen, Herrn Direktor Herrmann und mir unter Zuzug von einigen Musiksachverständigen, Herrn Adolf Böse und Herrn Baumeister Artur Schmidt. Die Tätigkeit dieser Kommission begann mit einer Prüfung der Glocken beider Systeme in Remscheid, um einen Unterschied in dem Geläute in Stahl und Bronze festzustellen. Hierbei ergab sich nun das merkwürdige Resultat, dass die Glocken der Stadtkirche für Stahl und diejenigen der Lutherkirche für Bronze gehalten wurden, während das Verhältnis gerade umgekehrt war. Die Glocken der Lutherkirche waren vom Bochumer Verein geliefert. Zudem waren die Preise für beide Metalle so erheblich verschieden und zu Gunsten der Stahlglocken, dass von diesem Augenblick an Bronzeglocken außer Frage kamen. Der nächste Schritt dieser Kommission war nun eine Reise nach Bochum, um an Ort und Stelle sich von dem Wohlklang der dort vorhandenen Stahlglocken zu überzeugen. An dieser Reise nahm die ganze Kommission ohne Frl. Hentzen teil und alle waren von dem Ergebnis überaus befriedigt, welches noch durch einen Besuch in Mühlheim/Ruhr zur Anhörung eines dort befindlichen, von Bochum gelieferten Geläutes verstärkt wurde. Am 25. Januar 1922 erhielten wir den ersten Kostenanschlag der Töne b, des, fes, dem ein Preis von 18 Mark für das Kilo zu Grunde lag. Die Kommission besuchte noch an einem Sonntagmorgen eine Kirche in Barmen-Wichlinghausen und überzeugte sich dort von dem prachtvollen Dreiklang der zum Kirchenbesuch einladenden Glocken. Nunmehr wurde diese Erfahrung dem Presbyterium vorgetragen mit dem Erfolge, dass ich am 11. März ermächtigt wurde, dem Bochumer Verein den Auftrag der neuen Glocken fest zu überschreiben. Am 6. April 1922 lief die Bestätigung der Annahme dieses Auftrages ein, mit dem festen Garantiepreise inkl. Zubehör und Montage von 125 980 Mark. Die Lieferung sollte nach Verlauf von 10 Monaten, also Februar 1923, erfolgen.

   Inzwischen waren an freiwilligen Beiträgen auswärtiger Lenneper ca. 150 000 Mark eingelaufen, sodass, nebst dem Erlös aus dem Verkauf der noch vorhandenen Bronzeglocke, welche der Bochumer Verein zum Preise von 300 Mark pro Kilo sich bereit erklärte zu übernehmen (Diese alte Glocke wog ca. 900 Kilo und stellte somit einen Wert von 270 000 Mark dar), wir im Augenblick über 320 000 Mark verfügen konnten.

   Nun aber traten besondere Umstände ein, die niemand vorausgesehen hatte, die aber weit über alle Kostenanschläge und Berechnungen hinaus gingen. Zum ersten musste der Glockenstuhl infolge der größeren Dimension der neuen Glocken umgebaut werden. Bei dieser Umänderung gerieten wir in die sprunghaft steigenden Preise der Materialien und Arbeitslöhne, sodass diese Arbeiten von der Firma Wender & Dürholt und den hiesigen Handwerkern Kraus & Kotthaus und Carl Schmitz ausgeführt, nebst den Kosten für die Umänderungen des Läutewerks durch die Firma Bockelmann & Kuhlo Herford, einen Kostenaufwand von über 2 Millionen Mark erforderten. Hinzu kam noch eine Nachforderung des Bochumer Vereins für die Glocken im Monat September 1922, der einen Zuschlag von 100 % forderte, aber nach längeren und schwierigen Verhandlungen auf 50 % ermäßigt wurde. Der Effekt war nun der, dass die Glocken an Ort und Stelle statt 128 980 Mark nunmehr 188 980 Mark kosteten.

   Dass bei solchen Ausgaben unsere gesammelten Mittel nicht ausreichten, war klar. Wir mussten uns entschließen, Sammlungen in der Gemeinde zu veranstalten, die, wie aus den beigefügten Listen hervorgeht, ungeahnte Summen erzielten, sodass wir nach der Schlusssammlung über 3 584 358 Mark verfügen konnten. Aus diesen Listen gehen auch die Hauptwohltäter, die durch namhafte Summen glänzen, hervor, der Nachwelt zur Kenntnisnahme.

   Am Ende des Jahres 1922 waren alle Vorbereitungen zur Aufnahme der Glocken getroffen und gleich zu Anfang des neuen, für unser ganzes bergisches Land so verhängnisvollen Jahres 1923 erhielten wir die Nachricht von der Fertigstellung der Glocken und deren gewünschte Besichtigung am 8. Januar. Dieser Einladung folgten die Herren der Kommission Herr Adolf Böse, Herr Direktor Herrmann und der Schreiber dieses. In Gemeinschaft mit dem vom Bochumer Verein vorgeschlagenen Musiksachverständigen Direktor Hofmann ließen wir die fertig gestellten Glocken einzeln und dann zusammen läuten und waren alle überrascht sowohl von den einzelnen Tönen wie auch von der Zusammenfassung aller 3 Glocken durch den prachtvollen Klang des Geläutes, sodass wir befriedigt zurückkehren konnten und den Eindruck unserem Auftraggeber, dem Presbyterium, mitteilen durften. Am 13. Januar 1923 erfolgte die widerrechtliche Besetzung durch die Franzosen und Belgier, trotzdem konnte der Versand der Glocken am 13. Januar 1923 vor sich gehen, die dann auch am 17. Januar hier eintrafen. Sie wurden am Tage der Ankunft verladen und vorläufig auf dem Hofe C. Kluthes Söhne untergebracht, bis die nötigen Vorbereitungen zur Herstellung der Gerüste an der Kirche fertig gestellt waren. Dieser Tag, der 21. Januar 1923, an welchem die Glocken von dem Hofe C. Kluthes Söhne transportiert wurden, gestaltete sich zu einem Jubelfest für die ganze evangelische Gemeinde.

   Es bleibt noch zu erwähnen, dass im Laufe des Jahres 1922 sich ebenfalls eine Kommission gebildet hatte, die sich zur Aufgabe gemacht, den im Weltkriege gefallenen Vätern und Söhnen unserer Gemeinde ein bleibendes Denkmal zu errichten. Weil auch hier die gesammelten Gelder nicht reichten, wurden die letzten Sammlungen innerhalb der Gemeinde mit diesem Zweck verbunden und ergaben das oben mitgeteilte Resultat.

   Diese Aufzeichnungen haben lediglich den Zweck, der evangelischen Gemeinde die Vorgeschichte der Beschaffung der neuen Kirchenglocken für alle Ewigkeit zu erhalten und den späteren Lesern vor Augen zu führen, wie sich der Opfersinn der einzelnen Mitglieder unserer Gemeinde betätigt hat.

 

Aufgestellt und übergeben im Juni des Jahres 1925 von 

Louis Hammacher,

Mitglied des Presbyteriums.